Concorde EMOTION

Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen packt mich regel- mäßig die Lust, meine eigenen vier Wände von altem Staub zu befreien und jede Menge Raum für Neues zu schaffen. Warum ist das so – und ist es eigentlich noch zeitgemäß? Kürzlich las ich in einem Magazin, der gute alte Frühjahrsputz sei überholt. Der Durchschnittsdeutsche habe keine Zeit für ausgedehnte Schrubberei – er wische lieber öfter mal zwischendurch oder stelle gleich dauerhaft eine Putzkraft ein. Da fragte ich mich: Stimmt das? Und: Warum bin ich nicht so? Bin ich ein Relikt vergangener Traditionen? Und wann, verdammt, kommen die anderen dazu, unzugängliche Ecken hinter den Heizkörpern sauber zu machen? Eine kleine Umfrage in meinem Freundeskreis beruhigte mich: Die Mehrzahl der Frauen und Männer bestätigte mir, dass sie zumindest den Vorsatz fürs große Putzen und Ausmisten im Frühling gefasst hat. Immerhin! Ich selbst nehme es mir nicht nur vor, sondern ziehe die Sache auch jedes Jahr großformatig durch. Zu meinem Standardprogramm gehört: Das Radio voll aufdrehen und die erste Frühlingssonne anlächeln, viele Dreckschichten von den Fenstern kratzen, mich beim Wischen vor dem von den Schränken herunterrieselnden Staub ducken, mit spitzen Fingern in den Kleiderschrank eintauchen und olle Kleidung herausfischen. Es macht mir richtig Spaß! Fühlt sich auch wie eine innere Befreiung von alten Dingen und Alltagsroutinen an. Ein Wisch mit dem Putzlappen und die Fläche schaut direkt wie neu aus – toll! Mehr Platz im Schuhregal – großartig! Ich fühle mich innerlich geordneter und schaffe Raum für Neues. Natürlich habe ich mich auch schon gefragt, warum wir gerade im Frühling so motiviert sind zu putzen. Der Drang dazu scheint tief in uns begründet zu liegen: Mit mehr Tageslicht steigt auch die Produktion des als stimmungsaufhellend geltenden Hormons Serotonin, während der Melatoninspiegel, der uns müde und träge macht, sinkt. Und weil ich mich nicht gegen die natürlichen Gegebenheiten auflehnen möchte, heiße ich ihn willkommen, den Frühjahrsputz und kremple die Ärmel hoch. Die Nachbarschaft weiß schnell Bescheid, dass die wärmere Jahreszeit anbricht, weil ihnen durch die offene Fahrertür mein fröhlicher Singsang entgegenschallt. So wie in diesen Wochen aus so manchen Fenstern der Wohnungen um uns herum ähnliche Klänge zu hören sind. Unser Reisemobil macht mit: Es will schließlich blitzblank in Szene gesetzt werden. Also: Es ist wieder mal Zeit für einen Frühjahrsputz, und zwar nicht nur im Haus, sondern auch davor. Jetzt. KOLUMNE JUHU, ENDLICH FRÜHLING Unser Koluminist Conny Concorde gibt sich jedes Jahr dem Frühjahrsputz hin – und fragt sich hier, warum. Illustration: Bertil Brahm 37

RkJQdWJsaXNoZXIy NDM3MTE=